Interessante Urteile aus der Rechtsprechung zu
Umsatzsteuerpflicht von Zuwendungen der öffentlichen Hand ?
Haftung des Vereinsvorstandes für Steuerschulden seines
Vereins ?
Besondere Verkehrssicherungspflicht bei Sportveranstaltungen
mit Kindern ?
Tanzkurse, die ein gemeinnütziger Verein durchführt, sind
nicht gemäß § 4 Nr. 22
UStG von der Umsatzsteuer befreit. ?
Vorstandshaftung nach Innen und Außen ?
1. Öffentliche Gelder: Echter Zuschuss oder
umsatzsteuerpflichtiges Entgelt?
Öffentliche Zuschüsse - meist werden sie von Landkreisen,
Städten und Gemeinden gewährt - gehören nach wie vor zu den
wichtigsten Finanzierungsquellen von Vereinen.
Neben den "klassischen" Zuschussformen, der
Fehlbedarfsfinanzierung und der institutionellen Finanzierung (mit
festen jährlichen Beträgen) werden dabei Leistungsverträge immer
wichtiger: Der Verein erhält nicht einfach Geld für seine Arbeit,
sondern der Zuschuss wird an konkrete Leistungskriterien gebunden.
Das kann die Durchführung bestimmter Veranstaltungen, zum
Beispiel eines Kulturfestivals, sein oder die Betreuung einer
bestimmten Zahl von Klienten.
Das rückt Einnahmen aus den Zuwendungen der öffentlichen Hand
vermehrt ins Blickfeld der Finanzämter.
Liegt nämlich ein echter Leistungstausch zwischen Verein und
Geldgeber vor, werden die Zahlungen umsatzsteuerpflichtig.
Ein erheblicher Teil der Einnahmen geht damit an den Fiskus.
Auch Rechtsprechung und finanzbehördliche Erlasse befassen
sich zunehmend mit diesem Thema.
2. Vereinsvorstand haftet für Steuerschulden ?
Das Finanzgericht (FG) München hatte unlängst über die
Haftung eines Vereinsvorstands eines inzwischen insolventen Vereins
zu entscheiden. Dabei hat es entschieden, dass es für die Haftung
von Abzugssteuer nicht darauf ankommt, dass die Vorstände nicht
hauptberuflich, sondern nur ehrenamtlich für den Verein tätig waren
(FG München, Urteil vom 23. Juni 2005, 14 K 1035/03).
Ein Fanclub engagierte anlässlich seines 20-jährigen
Bestehens ausländische Künstler und verpflichtete sich vertraglich,
dass der Veranstalter alle gesetzlich vorgeschriebenen Abgaben
trägt. Tatsächlich wurden weder Umsatzsteuer noch Abzugsteuer für
die ausländischen Künstler einbehalten bzw. abgeführt.
Als das Finanzamt von der Sache erfuhr, nahm es die Vorstände
des Vereins durch Haftungsbescheid in Anspruch, denn der Verein war
inzwischen zahlungsunfähig geworden. Dagegen wandten sich die
Betroffenen mit der Begründung, sie hätten keinerlei Erfahrung mit
solchen Veranstaltungen gehabt, seien in steuerlichen Dingen
unerfahren und davon ausgegangen, dass sich die Musiker um die
steuerlichen Angelegenheiten selbst kümmern würden.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg und auch das Finanzgericht
wies die Klage ab. Zu Recht habe das Finanzamt die Vorstände in
Anspruch genommen, so das Urteil der Richter am Finanzgericht.
Dabei spiele es keine Rolle, ob sie sich über ihre steuerlichen
Pflichten geirrt haben. Sie hätten als Vertreter des Vereins die
Pflicht gehabt, sich darüber unterrichten zu lassen bzw. sich
steuerlichen Beistand, wie etwa über einen Steuerberater, zu holen.
Davon hatten die Vorstände aber voll und ganz abgesehen und damit
die steuerlichen Pflichten des Fanclubs, die sie zu erfüllen
hatten, grob fahrlässig verletzt. Dass die Vorstände nicht
hauptberuflich sondern nur ehrenamtlich für den Fanclub tätig
waren, sei dabei ohne Bedeutung.
Das FG München begründet seine Entscheidung damit, dass
Vereinsvorstände als Vertreter des Vereins, auch wenn der Verein
gemeinnützig ist, dazu verpflichtet sind, seine steuerlichen
Pflichten wahrzunehmen. Tun sie das nicht oder nur unzureichend,
können sie für dessen Steuerschulden haften. Das trifft auch
Vorstandsmitglieder, die nur ehrenamtlich tätig sind.
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3. Besondere Verkehrssicherungspflicht bei
Sportveranstaltungen mit Kindern ?
Herausziehbare Tribünen mit offenem Stahlgestänge stellen bei
der Durchführung von Kinderfußballturnieren für die kindlichen
Besucher der Halle eine objektive Gefahrenquelle dar. Der
Hallenbetreiber verletzt die ihm obliegende
Verkehrssicherungspflicht, wenn er keine Maßnahmen ergreift, um ein
unkontrolliertes Spielen der Kinder im Bereich der Tribünen zu
verhindern.
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht - Urteil vom
11.01.2006 - L 5 KR 18/05
4. Tanzkurse, die ein gemeinnütziger Verein durchführt, sind
nicht gemäß § 4 Nr. 22
UStG von der Umsatzsteuer befreit.
BFH Urteil vom 27.04.2006
V R 53/04
Tanzkurse, die ein gemeinnütziger Verein durchführt, sind
nicht gemäß § 4 Nr. 22 UStG von der Umsatzsteuer befreit.
2. Sie können aber dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2
Nr. 8 Buchst. a UStG
unterliegen.
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein eingetragener
Verein, betreibt ein "Seminar für Musik und Bewegungserziehung". Er
ist als gemeinnützig anerkannt.
Neben anderen Kursen bot er in den Jahren 1995 bis 1998
(Streitjahre) im Rahmen einer sog. "Tanzwerkstatt" Kurse an, die
der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) in den
Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre vom 5.1.2000 als
umsatzsteuerpflichtig ansah.
Mit seinem Einspruch machte der Kläger geltend, bei den
Kursen handele es sich um Seminare, die im Rahmen der
satzungsmäßigen Zwecke zur Förderung der Vereinsziele durchgeführt
würden und daher als Zweckbetrieb im Sinne der Abgabenordnung (AO
1977) anzusehen seien. Deshalb sei insoweit die
Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 22 des Umsatzsteuergesetzes
(UStG) 1993 anzuwenden. Zu Kursen, die von konventionellen
Tanzschulen angeboten würden, bestünden erhebliche Unterschiede.
Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte in der
Einspruchsentscheidung aus, die im Rahmen der "Tanzwerkstatt"
angebotenen Kurse fielen nicht in den Bereich der Bildungsarbeit,
die nach dem Zweck des § 4 Nr. 22 UStG gefördert werden solle. Es
überwiege der Unterhaltungscharakter. Der behauptete wesentliche
Unterschied zu konventionellen Tanzschulen lasse sich den Angaben
in dem vorliegenden Programmheft des Klägers nicht entnehmen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Es
führte aus, die Umsätze aus der Tanzwerkstatt des Klägers seien
weder nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG noch nach § 4 Nr. 22 Buchst. b
UStG bei der gebotenen engen und richtlinienkonformen Auslegung
dieser Vorschriften steuerfrei. Tanzkurse dienten nicht den in Art.
13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Sechsten Richtlinie des Rates vom
17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie
77/388/EWG) genannten Ausbildungszwecken. Sie stellten auch keine
kulturellen Veranstaltungen i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst.
n der Richtlinie 77/388/EWG dar, sondern dienten in erster Linie
der Verbesserung der tänzerischen Fähigkeiten der einzelnen
Teilnehmer.
Das Urteil ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG)
2004, 1875 abgedruckt.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache
zugelassenen Revision macht der Kläger im Wesentlichen geltend:
Die angebotenen Kurse beruhten auf einem ganzheitlichen
Konzept, in dem neben dem Erlernen von Tänzen durch Rhythmusübungen
ein besonderes Körpergefühl herausgebildet werde, das es
insbesondere unsicheren Menschen ermögliche, sich leichter in
Gruppen zu integrieren. Er, der Kläger, arbeite nicht leistungs-
oder erfolgsorientiert. Tanzsportturniere und Tanzsportabzeichen
seien ihm fremd. Er sei nicht Mitglied im Allgemeinen Deutschen
Tanzlehrerverband (ADTV), sondern Mitglied in der
Landesarbeitsgemeinschaft für Soziokultur in Niedersachsen (LAGS).
Die Dozenten und Dozentinnen seien nicht in erster Linie
Tanzlehrer, sondern Diplom-Rhythmiklehrer, Tanztherapeuten,
Gestalttherapeuten und Personen mit ähnlichen Ausbildungen. Die
Teilnehmer seien nicht an der reinen Vermittlung von Tanztechniken
interessiert, sondern vor allem daran, sich durch das Mittel des
Tanzes mit fremden (z.B. asiatischen, afrikanischen oder auch
latein-amerikanischen) Kulturen auseinander zu setzen. Deshalb
würden vielfach auch Dozenten aus den entsprechenden
Herkunftsländern eingesetzt. Die Kurse im Rahmen der Tanzwerkstatt
seien daher mit Tanzkursen kommerzieller Anbieter nicht zu
vergleichen. Die Kurse seien seinem Zweckbetrieb (§ 65 AO 1977)
zuzuordnen.
Die Auslegung von § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG und § 4 Nr. 22
Buchst. b UStG durch das FG sei zu eng. Sie sei weder dem UStG noch
den Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) zu entnehmen. Abschn. 115 Abs.
1 UStR und 116 UStR enthielten eine Vielzahl von Sachverhalten, die
nach dem Willen der Finanzverwaltung unter die
Befreiungsvorschriften fallen sollten. Eine sehr enge Auslegung
lasse sich daraus nicht erkennen.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung sowie die
Umsatzsteuerbescheide für 1995 bis 1998 vom 5.1.2000 in der Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom 22.9.2000 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
Es weist darauf hin, dass der Kläger in den Streitjahren eine
Vielzahl von Kursen gegen Entgelt durchgeführt habe, die nach § 4
Nr. 22 UStG als steuerfrei behandelt worden seien (z.B.
interkulturelle Tänze, Kindertanz, präventive Rückenschule).
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits seien allein die
Veranstaltungen Tanzwerkstatt (Standard-Latein), Ball der
Tanzwerkstatt, Salsa/Merengue und Tango Argentino. Auf diese Kurse
sei weder § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG noch § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG
anwendbar; auch die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst.
a UStG greife nicht ein.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der
Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126
Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG hat zwar zu Recht entschieden, dass die streitigen
Leistungen nicht steuerfrei sind. Es hat aber nicht geprüft, ob die
Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 8 Buchst. a UStG eingreift. Hierzu
sind weitere Feststellungen zu treffen.
1. Die vom Kläger im Rahmen der "Tanzwerkstatt" erbrachten
Leistungen sind nicht nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG steuerfrei.
a) Nach der genannten Vorschrift sind von den unter § 1 Nr. 1
bis 3 UStG fallenden Umsätzen steuerfrei die Vorträge, Kurse und
andere Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die
von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs-
und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von
Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines
Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, wenn die Einnahmen
überwiegend zur Deckung der Unkosten verwendet werden.
b) § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG setzt Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG in nationales Recht um (vgl.
Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12.5.2005 V B 146/03,
BFHE 209, 105, BStBl II 2005, 714, unter II. 2. a).
Nach dieser Bestimmung befreien die Mitgliedstaaten von der
Steuer die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder
Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die
berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen
Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch
Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben
betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden
Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung. Gemäß Art. 13
Teil A Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG können die
Mitgliedstaaten die Gewährung dieser Befreiung für Einrichtungen,
die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, von in dieser
Bestimmung genannten Bedingungen abhängig machen.
Von der Steuerbefreiung sind nach Art. 13 Teil A Abs. 2
Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG Dienstleistungen und
Lieferungen von Gegenständen ausgeschlossen, wenn
- sie zur Ausübung der Tätigkeiten, für die Steuerbefreiung
gewährt wird, nicht unerlässlich sind;
- sie im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung
zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in
unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer
unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden.
c) Die Auslegung des einzelstaatlichen Steuergesetzes, das -
wie hier § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG - Gemeinschaftsrecht umsetzt,
ist richtlinienkonform vorzunehmen (vgl. BFH-Urteile vom 2.4.1998 V
R 34/97, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695, unter II. 3. b bb; vom
22.9.2005 V R 28/03, BStBl II 2006, 280, unter II. 3.). Deshalb ist
der durch Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG
gezogene gemeinschaftsrechtliche Rahmen bei der Auslegung von § 4
Nr. 22 Buchst. a UStG zu beachten (vgl. zur richtlinienkonformen
Auslegung z.B. BFH-Urteil vom 11.11.2004 V R 34/02, BFHE 208, 65,
BStBl II 2005, 316, unter II. 2.; BFH-Beschluss vom 20.10.2005 V R
75/03, BStBl II 2006, 147).
Dabei sind die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG
umschrieben sind, eng auszulegen, da sie Ausnahmen von dem
allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein
Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer
unterliegt (vgl. Urteil des Gerichtshofes der Europäischen
Gemeinschaften - EuGH - vom 20.6.2002 Rs. C-287/00,
Kommission/Bundesrepublik Deutschland, Slg. 2002, I-5811,
Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 2002, 316 Rdnr. 43).
d) Bei der mithin gebotenen richtlinienkonformen Auslegung
des § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG sind nicht alle Kurse zur Erlernung
von Fähigkeiten oder Fertigkeiten "wissenschaftlicher oder
belehrender Art" im Sinne dieser Vorschrift, sondern nur solche
Kurse, die als Erziehung von Kindern und Jugendlichen, als Schul-
oder Hochschulunterricht, als Ausbildung, Fortbildung oder
berufliche Umschulung zu qualifizieren sind (vgl. Weymüller in
Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 4 Nr. 22 Rz. 16).
Die vom Kläger durchgeführten Tanzkurse erfüllen diese
Voraussetzungen nicht. Sie dienten nicht den genannten Aus- oder
Fortbildungszwecken, sondern der Freizeitgestaltung der Teilnehmer.
Das würde selbst dann gelten, wenn der - nicht durch entsprechende
Feststellungen bestätigte - Vortrag des Klägers zuträfe, seine
Unterrichtsinhalte und -methoden unterschieden sich von denen
gewerblicher Ansichten. Tanzschüler betreiben das Tanzen regelmäßig
als reine Freizeitbeschäftigung (vgl. BFH-Urteil vom 1.7.2004 IV R
32/02, BFH/NV 2005, 31, unter 2. a). Das reicht für die Anwendung
des § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG nicht aus (ebenso im Ergebnis:
Schuhmann in Rau/ Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 22 Rz.
29; wohl auch Handzik in Offerhaus/Söhn/Lange, Umsatzsteuer, § 4
Nr. 22 Rz. 23; einschränkend Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Langer,
Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 22 Rz. 28).
Es kann deshalb offen bleiben, ob - wie das FA meint - die
Steuerbefreiung der streitbefangenen Umsätze auch deshalb zu
versagen ist, weil die Leistungen des Klägers für seine
steuerbegünstigte gemeinnützige Tätigkeit entbehrlich gewesen oder
in Konkurrenz zu nicht steuerbegünstigten Unternehmen erbracht
worden sind (vgl. auch Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der
Richtlinie 77/388/EWG).
e) Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass nach Abschn.
115 Abs. 3 UStR zu den in § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG bezeichneten
Veranstaltungen belehrender Art auf dem Gebiet des Sports auch die
Erteilung von Sportunterricht, z.B. die Erteilung von Schwimm-,
Tennis-, Reit-, Segel- und Skiunterricht gehört, mag offen bleiben,
ob diese Regelung von § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG in der gebotenen
richtlinienkonformen Auslegung der Vorschrift gedeckt wird.
Denn der Kläger hat - wie er selbst betont - keinen
Sportunterricht erteilt. Das käme nur in Betracht, wenn die
Teilnehmer an seinen Kursen das Tanzen als Tanzsportler in erster
Linie als Wettkampf zwischen Paaren bzw. Formationen im Rahmen des
Vereins- bzw. Leistungssports betrieben hätten (vgl. dazu
BFH-Urteile vom 4.5.1994 XI R 109/90, BFHE 175, 1, BStBl II 1994,
886; in BFH/NV 2005, 31, unter 2. a).
2. Das FG hat ferner zutreffend entschieden, dass die
streitigen Umsätze des Klägers nicht gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. b
UStG steuerfrei sind.
a) Nach der bezeichneten Vorschrift sind andere kulturelle
und sportliche Veranstaltungen von gemeinnützigen Zwecken dienenden
Einrichtungen (§ 4 Nr. 22 Buchst. a UStG) steuerfrei, soweit das
Entgelt in Teilnehmergebühren besteht.
Die Vorschrift hat ihre gemeinschaftsrechtliche Grundlage in
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m und n der Richtlinie 77/388/EWG.
Danach befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie
zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der
Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen,
Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der
Umsatzsteuer
m) bestimmte in engem Zusammenhang mit Sport und
Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen
ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder
Körperertüchtigung ausüben, sowie
n) bestimmte kulturelle Dienstleistungen und eng damit
verbundene Lieferungen von Gegenständen, die von Einrichtungen des
öffentlichen Rechts oder anderen von dem betreffenden Mitgliedstaat
anerkannten Einrichtungen erbracht werden.
Die Gewährung dieser Steuerbefreiungen können die
Mitgliedstaaten gemäß Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a der
Richtlinie 77/388/EWG von bestimmten Bedingungen abhängig machen;
auch für sie gelten die gemäß Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der
Richtlinie 77/388/EWG aufgeführten Ausschlüsse (vgl. dazu oben
unter II. 1. b).
b) Wie der Kläger selbst zu Recht ausführt, handelt es sich
bei den streitigen Tanzkursen nicht um "sportliche Veranstaltungen"
i.S. des § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG. Unter diesen Begriff fallen nur
diejenigen organisatorischen Maßnahmen eines Sportvereins, die es
aktiven Sportlern ermöglichen, Sport zu treiben (vgl. BFH-Urteil
vom 30.3.2000 V R 30/99, BFHE 191, 434, BStBl II 2000, 705, unter
II. 1. b).
Die Tanzkurse des Klägers sind auch keine "kulturellen
Veranstaltungen" i.S. von § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG. Denn sie
dienten nach den Feststellungen des FG in erster Linie der
Verbesserung der tänzerischen Fähigkeiten der einzelnen Teilnehmer.
Das gilt auch dann, wenn daneben auch die vom Kläger mit der
Revision vorgetragenen weiteren Zwecke verfolgt wurden.
3. Das FG hat aber nicht geprüft, ob die streitigen
Leistungen des Klägers gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG dem
ermäßigten Steuersatz unterliegen. Dies lässt sich aufgrund der
vorhandenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen.
a) Nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG ermäßigt sich die
Umsatzsteuer auf 7 v.H. der Bemessungsgrundlage für Leistungen der
Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige,
mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 58 AO 1977).
Das gilt nach Satz 2 dieser Vorschrift nicht für Leistungen, die im
Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes ausgeführt werden.
b) Wenn das Gesetz - wie hier § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a
UStG - eine Steuervergünstigung insoweit ausschließt, als ein
wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (§ 14 AO 1977) unterhalten wird,
verliert die Körperschaft gemäß § 64 Abs. 1 AO 1977 die
Steuervergünstigung für die dem Geschäftsbetrieb zuzuordnenden
Umsätze, soweit der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb kein
Zweckbetrieb (§§ 65 bis 68 AO 1977) ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE
191, 434, BStBl II 2000, 705, unter II. 2. c; vom 19.2.2004 V R
39/02, BFHE 205, 329, BStBl II 2004, 672, unter II. 2.). Danach
kommt es im Streitfall entscheidend darauf an, ob der Kläger die
streitigen Umsätze - wie er geltend macht - im Rahmen eines
Zweckbetriebes ausgeführt hat.
Nach § 65 AO 1977 ist ein Zweckbetrieb gegeben, wenn
1. der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner
Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen
Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen,
2. die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb
erreicht werden können und
3. der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten
Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in
Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten
Zwecke unvermeidbar ist.
Ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift (vgl. dazu
BFH-Urteile in BFHE 191, 434, BStBl II 2000, 705, unter II. 2.; in
BFHE 205, 329, BStBl II 2004, 672, unter II. 2.) vorliegen, hat das
FG nicht geprüft und auch keine dahin gehenden Feststellungen
getroffen, die dem Senat diese Prüfung ermöglichen könnten. Der
Vorentscheidung lässt sich bereits nicht entnehmen, welche Zwecke
der Kläger nach seiner Satzung verfolgte.
Das FG wird die für die Anwendbarkeit des § 12 Abs. 2 Nr. 8
Buchst. a UStG i.V.m. § 65 AO 1977 erheblichen Feststellungen im
zweiten Rechtsgang nachholen müssen.
4. Einer Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. c UStG auf
die streitigen Umsätze des Klägers steht Art. 12 Abs. 3 Buchst. a
UnterAbs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG nicht entgegen.
a) Nach Art. 12 Abs. 3 Buchst. a UnterAbs. 3 der Richtlinie
77/388/EWG dürfen die Mitgliedstaaten unter weiteren, im Streitfall
vorliegenden Voraussetzungen nur auf die in Anhang H genannten
Kategorien einen ermäßigten Steuersatz anwenden.
Im Streitfall kommt nur Anhang H Nr. 14 der Richtlinie
77/388/EWG in Betracht. Die Bestimmung lautet:
"Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen durch von
den Mitgliedstaaten anerkannte gemeinnützige Einrichtungen für
wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit, soweit
sie nicht nach Artikel 13 steuerbefreit sind."
b) Es kann offen bleiben, ob diese Voraussetzungen im
Streitfall erfüllt sind. Denn selbst wenn § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst.
a UStG nicht gemeinschaftsrechtskonform sein sollte, ginge das für
den Kläger günstigere nationale Recht vor (vgl. BFH-Urteile vom
8.10.1991 V R 95/89, BFHE 166, 191, BStBl II 1992, 209, unter II.
2. d; vom 19.5.1993 V R 110/88, BFHE 172, 163, BStBl II 1993, 779,
unter II. B. 2. c; vom 25.11.2004 V R 25, 26/04, V R 25/05, BFHE
208, 479, BStBl II 2005, 419, unter II.5.; vom 18.8.2005 V R 42/03,
BStBl II 2006, 44, unter II. 4.)
5. Die Vorstandshaftung in einem eingetragenen Verein ?
Bei der Übernahme von Ämtern im Verein taucht oft die Frage
nach einer möglichen Haftung der
Amtsinhaber auf. Nicht selten sind Vorstandsposten schwer zu
besetzen, weil Kandidaten hier
Bedenken haben.
Vereinsmitglieder haften nicht auf Grund ihrer
Mitgliedschaft, d.h. eine Haftung für den Verein kommt
nur in Frage, wenn sie sich vertraglich verpflichten (durch
Rechtshandlungen für den Verein, z.B. durch eine Bürgschaft).
Der Haftungsausschluss der Mitglieder ist ein wichtiger Grund
für die Eintragung des Vereins. Nicht
eingetragene Vereine - oder BGB-Gesellschaften - haben keinen
solchen Haftungsausschluss.
Bei Vorstandsämtern dagegen kann es vereinzelt zur privaten
Haftung der Amtsinhaber kommen.
Eine grundsätzliche Haftung - kraft Amt - gibt es für den
Vorstand nicht. Es gibt aber eine Reihe von
Handlungen oder Unterlassungen (z.B. fehlende Gefahrenabwehr
im Rahmen der
Verkehrssicherungspflicht oder das Nicht-Abführen von
Steuern), die zu einer Vorstandshaftung führen.
Generell ist der Vorstand durch die Organhaftung nach § 31
BGB vor Haftungsdurchgriffen geschützt.
Das setzt voraus, dass der von ihm verursachte Schaden "in
Ausführung der ihm zustehenden
Verrichtungen" begangen wurde, dass er also für den Verein
und ihm Rahmen seiner satzungsmäßigen Befugnisse gehandelt hat.
Vertragliche Haftung ?
Der Vorstand schließt Rechtsgeschäfte nicht in eigenem Namen,
sondern im Namen des Vereins als
dessen gesetzlicher Vertreter ab. Daher haftet allein der
Verein den Vertragspartnern für die Erfüllung
der vertraglichen Verpflichtungen. Das wäre z.B. bei nicht
bezahlten Rechnungen der Fall. Eine
Haftungsproblematik besteht für den Vorstand also nicht bei
den typischen wirtschaftlichen Risiken der
Vereinstätigkeit.
Ein außen stehender Dritter hat bei Schäden auf Grund von
Vertragsverletzungen lediglich auf das
Vereinsvermögen Zugriff (§ 31 BGB). Diese Haftung greift nur
dann nicht, wenn das handelnde
Vorstandsmitglied sich über eine im Vereinsregister
eingetragene Haftungsbeschränkung
hinweggesetzt oder offensichtlich außerhalb des Vereinszwecks
gehandelt hat.
Schadenshaftung ?
Der Verein haftet für alle Schäden, die ein Vorstandsmitglied
einem Dritten zufügt. Dies gilt jedoch nur,
wenn der Schaden in Ausübung des Vorstandsamtes verursacht
wurde, nicht etwa wenn das
Vorstandsmitglied als Privatperson einen Schaden angerichtet
hat. Der Verein haftet also nur dann für
den Vorstand, wenn dieser als Vorstand, in Ausführung seiner
Vereinsaufgaben und für den Verein
gehandelt hat.
Wann haftet der Vorstand ?
Eine Haftung des Vorstandes, die durch die Organhaftung nicht
gedeckt ist, liegt vor allem vor, wenn
der Vorstand seine Vertretungsmacht überschreitet (also gegen
Satzungsbeschränkungen handelt)
bei unerlaubten Handlungen
bei Gefährdungstatbeständen
bei Nichterfüllung gesetzlich
zugewiesener Aufgaben
Haftung für Steuerschulden ?
Aus der Abgabenordnung (§ 69) ergibt sich die Haftung des
Vorstandes bezüglich der Erfüllung der
steuerlichen Pflichten des Vereins. Das sind:
Buchführungspflichten
Abgabe der Steuererklärungen
Zahlung der fälligen Steuern
(Lohnsteuer, Umsatzsteuer usf.)
Ein besonderer Fall ist die Spendenhaftung für entgangene
Steuern bei unberechtigt ausgestellten
Spendenbescheinigungen.
Ist der Verein nicht in der Lage, die Steuern zu bezahlen,
kann auf den Vorstand durchgegriffen
werden. Der Vorstand (nur der BGB-Vorstand) haftet dabei
gesamtschuldnerisch. Das Finanzamt kann
also seine Ansprüche gegenüber jedem einzelnen
Vorstandsmitglied geltend machen. Durch interne
Vereinbarungen können die steuerlichen Pflichten aber - mit
Einschränkungen - bestimmten
Vorstandsmitgliedern zugewiesen werden.
Haftung für Sozialversicherungsbeiträge ?
Das Gleiche gilt für die Berechnung und Abführung von
Sozialversicherungsbeiträgen. Wie bei den
steuerlichen Pflichten kann hier auch ein Straftatbestand
vorliegen.
Haftung bei Insolvenz ?
Der Vorstand muss die Insolvenzeröffnung beantragen, wenn der
Verein überschuldet oder
zahlungsunfähig ist. Verletzt der Vorstand diese Pflicht
(Insolvenzverschleppung), kann er persönlich für die entstandenen
Schäden der Verzögerung (in der Regel bei Gläubigern des Vereins)
in Anspruch
genommen werden.
Es ergibt sich also die Pflicht für den Vorstand, die
Vermögenslage des Vereins genau zu kennen.
Die Innenhaftung des Vorstands gegenüber dem Verein ?
Verursacht ein Vorstandsmitglied oder ein anderer Vertreter
des Vereins einen Schaden, ist die Frage,
ob der Verein wiederum seinen Schaden vom Schadensverursacher
zurückverlangen kann - die Frage der Innenhaftung. Dies gilt nicht
nur gegenüber Dritten, sondern auch bei Schäden, die der Vorstand
dem Verein verursacht.
Eine solche Haftung von Vorstandsmitgliedern entsteht, wenn
sie die ihnen obliegenden
Sorgfaltspflichten bei der Führung der Vereinsgeschäfte
schuldhaft verletzen. Die erforderliche Sorgfalt
wird am Handeln einer gewissenhaften und ihren Aufgaben
gewachsenen Person gemessen. Der Vorstand kann sich nicht darauf
berufen, er sei für seine Aufgaben nicht ausreichend qualifiziert
gewesen. In diesem Fall hätte er das Amt nicht annehmen
dürfen.
Die Frage der Innenhaftung wird auch bei der Entlastung des
Vorstandes durch die
Mitgliederversammlung geklärt. Die Mitgliederversammlung
stellt damit den Vorstand für die
entsprechende Amtsperiode von einer möglichen
Schadensersatzpflicht frei, soweit ihr die
entsprechenden Tatbestände bekannt waren oder bekannt sein
mussten.
Ende der Haftung ?
Die Haftung des Vorstands endet mit der Amtszeit - außer der
Vorstand bleibt für den Verein tätig. Eine Haftung von
Amtsnachfolgern für die Amtsvorgänger gibt es aber nicht.
Da Hinweise und Fakten dem Wandel der Rechtsprechung und der
Gesetzgebung unterliegen, kann für die oben stehenden Angaben keine
Haftung übernommen werden. Wir empfehlen Ihnen im Einzelfall
ergänzend steuerlichen, sozialversicherungsrechtlichen oder
rechtlichen Rat einzuholen.
f.d.R. Holger Liebsch,
DTV Vizepräsident
Quellen:
www.vereinsknowhow.de.
www.nonprofit.de. Newsletter 4/2004
von Holger Liebsch Uhr