Wertungsrichterschulung 2001 Bad Harzburg
Eine Zusammenfassung von Holger Liebsch
Die Schulung der S-Wertungsrichter in Bad Harzburg,
unterschied sich deutlich von vielen vorausgegangenen Lehrgängen
der vergangenen Jahre. Der (von manchen Fachleuten nicht erwartete)
Erfolg des Einsatzes der Verbandstrainer aus dem Team des
Bundestrainers trat deutlich zu Tage und sorgte für Zufriedenheit
im Plenum. Eine geglückte Referentenauswahl und ein hervorragend
gewähltes Kongressleitthema waren Garanten eines hohen Niveaus
dieser Schulung.
Rüdiger Knaack gelang es, dem Plenum seine Ziele unter dem
Leitthema der Schulung "Charakteristika des Tanzens" darzustellen
und an zahlreichen Beispielen des Paartanzes in den Standardtänzen
zu untermauern. Er stellte beispielhaft Thesen auf und erläuterte
diese auch durch exzellente Paardemonstrationen.
Thesen:
- Ein Paar muss mit beiden Körpern die Musik darstellen,
- Passt die Körperbewegung optimal zur Musik, wird die Musik
durch die Einheit zweier Körper vertanzt und dargestellt,
- Gutes Tanzen ist heute bewegungsbetonter, sportiver,
dynamischer, nicht mehr so verhalten wie vor einigen Jahren,
- Gute Bewegungen auf der Fläche stellen Leben und
körperliche Einheit eines Paares dar,
- Voraussetzung für gutes Bewegen ist u.a. Balancen neu
finden, die Beingeschwindigkeit unter dem Körper halten, Herstellen
einer zeitlichen Verbindung zwischen Bewegung und Musik,
- Bei gutem Standardtanzen müssen beide Körper zu einer
Bewegungseinheit zusammenfinden,
- Der Körper steht nie, er bewegt sich immer, weil auch die
Musik nie steht, sondern weiter geht,
- Musik und Takt zu vertanzen geht nie, wenn ich permanent
von meiner Dame wegtanze,
- Wem es schwer fällt, die Musik zu empfinden, der wird die
Musik auch nicht optimal vertanzen können,
- Musik muss empfunden werden, um sie als Paar
choreographisch darzustellen und zu vertanzen
- Die Musik muss durch Tanzen eines Paares als Körpereinheit
erkennbar sein,
- Das Bewusstsein für den Partner muss erkennbar sein -
Bewusstsein füreinander muss spürbar und sichtbar werden,
- Tanzen ist Ausdruck, Gefühl, Hingabe, Emotion und
Darstellung von Musik durch zwei Körper, die durch Bewegung und
Posen in einer zur Musik passenden Choreographie zu einer Einheit
verbunden sind,
- Die Aussage einer Musik durch Bewegung in das Auge des
Zuschauers zu transportieren,
- Die Aussage einer Musik durch Körperbewegung eines Paares
zu visualisieren und für das Auge erfassbar zu machen,
- Wenn ein Zuschauer die vertanzte Musik sowohl im Ohr hört
als auch im Auge wahrnimmt und erkennt und dadurch die Musik
doppelt empfinden und fühlen kann, wird er sich dem Paar und der
Musik öffnen,
- Tanzen ist die Fähigkeit eines Paares, die Musik
choreografisch darzubieten und dadurch die Musik und ihre Aussage
zu unterstreichen.
Damit hat Knaack die heutigen "Grundbedingungen guten
Standardtanzens" unter dem Tagungsleitthema "Charakteristik"
optimal präsentiert.
Allan Tornsbergs fachliche Kompetenz fand das Interesse des
Plenums. Sein qualitativ hochwertiges Tanzen und perfektes
Showgefühl konnte die Zuschauer begeistern.
William Pino zeigte durch eine gute Unterrichtstechnik,
ausgefeilte Rhetorik, und ein pädagogisch-autodidaktisch erstelltes
Unterrichtskonzept exzellente Demonstrationen perfekten Tanzens.
Das Tagungsthema wurde voll erfasst und mit Thesen und
Demonstrationen aufbereitet und durch Einzelbeispiele vorgetragen
und tänzerisch umgesetzt.
Thesen:
- Ein Paar muss sich von der Musik inspirieren lassen - sich
von der Musik tragen lassen,
- Schrittfolgen, Posen und Choreografien müssen sich den
Teilstücken der Musik anpassen - d.h. die Musik ist neu zu
interpretieren und visuell dem Beobachter/Zuschauer und dem
Wertungsrichter nahegebracht werden,
- Paartanz ist auch die Fähigkeit zum Kompromiss
selbst bei hohem Tempo muss alles möglich sein,
- Balancen und das Finden des Körpermittelpunktes sind
wesentliche Voraussetzungen für gutes und optimales Tanzen,
- Variationsfähigkeit ist eine Voraussetzung für die
Raumbeherrschung.
Hier konnte man als Teilnehmer gutes Tanzen von
herausragendem unterscheiden. Wertvolle Beiträge für
Wertungsrichter wurden angeboten.
Henner Thurau, ein hervorragender Autodidakt, machte durch
die Auflistung von Provokationen seinen Einstieg spannend. Diese
Provokationen sorgten für ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit im
Plenum. Die rhetorischen Fähigkeiten und didaktischen Spielweisen
sind Lehrbeispiel guten Unterrichtes gewesen.
Er stellte folgende provokante Thesen in den Raum:
Ein Wertungsrichter bedient sich des Programmheftes, der
Startliste und/oder der Rangliste. Dann weiß er die Reihenfolge und
wem er zu gefallen hat und wer ihm zu gefallen hat?
Oft gehörte kritische Aussagen von WR:
- Ich lasse mich von niemandem beeinflussen (Schade),
- Die Paare wollen Wertungsrichter beeinflussen (Das soll so
sein),
- Ich werte nur, was ich sehe (Hoffentlich),
- Ich werte nur das Tanzen (Warum),
- WR haben Macht. Die Macht wird gegeben per Legitimation
einer Lizenz,
- WR entscheiden über Sein oder Nichtsein,
- WR sind wichtig, sollen sich aber nicht wichtig nehmen,
- Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck,
- Ein WR muss nachempfinden, was ein Paar ausdrücken will,
- WR entscheiden über die Trends des Tanzen und nicht die
Trainer.
Thesen:
- Ein WR muss die Charakteristik, den Ausdruck und die
persönliche Interpretation des Paares leicht und schnell erkennen
können und auch nachempfinden wollen,
- Ovalspannung, Körperlinien und der Körperrahmen bilden zwei
Kreise - der Ellenbogenkreis und der Leistenkreis,
- Wichtiger Hinweis aus der Esoterik: "Rückenmarkenergiefluss"
,
- Bilder und Schwungkurven müssen deutlich erkennbar sein,
- Klassische Demonstration vielfältiger richtiger und
fehlerhafter Details im optischen und akustischen Wahrnehmungsfeld.
Die eingesetzten Paare zeigten unterschiedliche Bilder,
welche seine Aussagen unterstrichen haben. Das wichtige Thema der "
Risikoerhöhung" wurde ausgefeilt dargeboten. Die
Unterschiedlichkeit von maskulinen und femininen Bildern wurden
aufgezeigt.
Zitate:
Die Damen "suhlen" sich in solchen Bewegungen (sich
wohlfühlen).
Je feiner und je mehr Bilder auf der Fläche gezeigt werden,
umso schöner ist das Tanzen.
Rotationen (Drehbewegungen) werden klassisch aufbereitet und
visuell angeboten.
Schwungkurven werden in ihrer Wirkung methodisch analysiert
und interpretiert.
Die Schwungkurve des Wiener Walzers kann als "unter der
Nulllinie hängende Kurve" interpretiert werden.
Ein qualitativ und lehrtechnischer hervorragender Beitrag
methodisch-didaktischer Art. Kam dem Lehrauftrag und der Nachfrage
- als Angebot für Wertungsrichter - in gekonnter Weise nach.
Ralf Lepehne zeigte eine exzellente Darstellung
hervorragenden Lateintanzens, sowohl von ihm selbst, als auch von
seinen Paaren. Er verbindet eine Grundforderung des Tanztrainers,
selbst gut tanzen zu können und gut Lehren können. Beides in einer
Person ist sehr selten und an ihm zu schätzen.
Zitate:
Jeder von uns hat eine Idealvorstellung vom Tanzen.
Das Paar, das unserer Idealvorstellung am nächsten kommt, ist
unser Sieger.
Es ist alles erlaubt, was gut aussieht, es muss nur
einigermaßen rhythmisch sein.
Er stand bezüglich der Aufmerksamkeit des Plenums im
absoluten Mittelpunkt.
Sein Votum für mehr positive Kritik gegenüber Paaren ist
bemerkenswert.
Es gelang ihm, die Aufmerksamkeit des Plenums auf die
Feinheiten und Details guten Lateintanzens zu richten und gab
gekonnte Angebote der Variationsmöglichkeiten im Lateintanzen.
Hans Reinhard Galke:
Ein Spaßvogel mit herausragender tänzerischer Qualität und
guter Detaildarstellung von Inhalten der Tanzcharakteristik riss
das Plenum in seinen Bann.
Zitate:
Die Bündelung einer Standbeinaktion in Verbindung mit einer
kontrollierten Beckenbewegung macht gutes Tanzen aus.
Eine Beinaktion, die sich auf die Beckenaktion überträgt - in
Verbindung mit der Wirbelsäule - Rippenbogenaktion und
Schulteraktion bedeutet optimale Energieübertragung bis in die
Fußspitzen hinein (Fußtiming),
Nach außen muss gutes Tanzen "mühelos" aussehen.
Volumen des Tanzens ist:
- Timing und Energie von Körperbewegung, Körperaktion,
- Fuß, Knie und Beinarbeit, Beckenaktion ,
Balancemittelpunkt,
- Rippenbogen- Wirbelsäulen und Schulter/Kopf /Armaktion.
Er hat ein klassisches Beispiel für hervorragende
Präsentation einer Dame geboten
Seine Darstellung "Tanzspezifischer Volumina"...
- räumliches Volumen
- Körpervolumen
- eigenes Volumen
- Volumen der Partnerin
wurden exzellent aufbereitet und demonstriert.
Die Präsentation des Bundestrainers
Oliver Wessel Therhorn und sein Konzept zur Leitthematik,
war ein perfektes Beispiel von eigenem Können und Herausstellung
der Spitzenpaare des DTV. Die Darstellung der Entwicklung von
Tanzcharakteristika aus der Historie bis in die heutige Zeit kann
als perfekt gelungen bezeichnet werden.
Zitate:
Interaktives und kommunikatives Tanzen ist erkennbar!
Der Mann gibt das Thema vor und die Dame antwortet durch ihre
Reaktion auf die thematische Vorgabe des Mannes.
Es ist schwer, die Zukunft zu gestalten, ohne die
Vergangenheit zu kennen.
Beste Stilistik, gekonnte Rhythmik, Harmonie eines Paares
waren auch schon vor 50 Jahren als schön zu erkennen und Grundlage
der damaligen Meister.
Man muss die Musik, die man hört, auch bei den Paaren sehen
können.
Ein Paar muss sein Tanzen mit größtmöglicher
Überzeugungskraft darbieten.
Ein Paar muss nicht jedem WR gefallen, sondern muss die
Majorität der WR bei einem Turnier überzeugen.
Es muss nicht jedem, aber der Mehrheit gefallen.
Die Fähigkeit, eine Thematik und die Aussagekraft von Musik
durch die eigene musikalische Nachempfindung in Tanzen umzusetzen,
visuell gefühlvoll darzubieten macht die Kunst des Tanzens aus.
Es ist wichtig, die Dame zu führen, ohne sie körperlich zu
attackieren und zu beschädigen.
Einen italienischen Stil des Tango gibt es nicht, es gibt nur
einen Stil eines Paares, der davon geprägt wird, wie das Paar die
Musik empfindet und auf der Fläche präsentiert.
Die Schnelligkeit im Quickstep kann jeder erreichen, nur die
Musik muss passen- die Schnelligkeit muss in der Musik erkennbar
werden.
Die kunstvolle Darstellung der Entwicklung von
Charakteristika des Tanzens aus der historischen Entwicklung am
Beispiel aller Tänze war vom Feinsten. Sein Unterricht war
beispielhaft für das Schöpfen aus eigenen Erfahrungen und
Erinnerungen, mit Beispielen, wie man als junges Paar eigene
Figuren und Folgen kreieren, schöpfen und darbieten kann. So
entstehen Trends. Besser kann man das Tagungsleitthema nicht
unterstreichen und zusammenfassen. Lange stehende Ovationen auch
für die Dankesworte von OWT an Wolfgang und Hanne Opitz.
Mit lebhaften Diskussionsbeiträgen über Sinn von Virtuellen
Turnieren sorgte der Bundeslehrwart Horst Krämer für die
Einbeziehung der Teilnehmer in die Lehrgangsablaufplanungen.
Horst Krämer dankte allen Beteiligten, den Paaren, den
Referenten und dem Lehrgangsleiter für das große Engagement im
Namen des
DTV Präsidiums.
Holger Liebsch
von Daniel Reichling Uhr